Dan DĂNILĂ
DAS SILBERMESSER
Als er das Selbstgespräch beendet hatte,
zahlte er auch den Preis, obgleich die Hand
zitterte auf dem Papier und er nicht wußte
wer ihn belauert, wer flüchtig sich umblickt, wer den
feuchten Finger setzt auf das erste Blatt,
und er sagt sich: ehrlicher war es einst, als
ein Buch noch mit chirurgischer Sorgfalt Bogen für
Bogen und Faser um Faser aufgeschnitten wurde
und jeder Leser, der den Laden betrat,
ein langes Silbermesser bei sich trug
STADTPARKBALLADE
Voll Geiz befangen im Sekundenzählen,
verschwenderisch mit Jahren aus den vollen,
sinnlos den eignen Lebenshauch verhehlen,
wenn uns die Linden überschwemmen wollen
und wenn die Blinden ihre Stöcke fragen,
ob auch die Zahl der Pappeln überlebt,
nach Laune dann die Lager aufgeschlagen
im welken Laub, das in den Gräben bebt
mit Laken – abends erst herausgegeben –
und Decken – je ein gestriges Tageblatt
wollen wir einen neuen Lenz erleben
an Sommerglücks erhoffter Freudenstatt
gepäcklos, ohne Habe all und jede,
ein Nagel je statt einem Kleiderschrank,
und für ein Bier je eine lange Rede,
und hat ein jeder seine eigne Bank
auch trauen wir lügnerischem Augengruß,
wenn Schornsteinfegers Glücksversprechen winkt,
leihn dem die Flügel eines Ikarus,
Flechtwerk aus Hanf und eisenschwer beringt
umgehn den Zahn der Zeit schon abgefeimt,
entführen tagediebischen Drachen,
einen aus Blättern eines Lexikons geleimt,
verzwickte Wörter bringen uns zum Lachen
vergessen Sorgen, philosophisch Schmälen
die Fest- und Fastentage allemal,
voll Geiz befangen im Sekundenzählen,
verschwenderisch mit Jahren ohne Zahl.
ABENDLICHE PSEUDOLOGIE
Zwar hab ich einst an die Dämmerung des Abends gedacht
und auch, einen Logos darauf zu verfassen,
doch ihr Schweigen hat mich erschauern lassen,
manchmal hab ich gewünscht, sie hätte lauthals gelacht
unter violett flammender Lichterschar
oder gleichgültig und, wenn auch flüsternd, enthemmt
im alten Lehnstuhl, wenn sie gelassen ihr Haar,
das glänzende und nach süßer Milch duftende kämmt
wohlriechende Briefe, Pralinen und Trödelkram
sind ihre Schätze und wohlbeschlossen im Schrein.
Schwarz verschleiert ihr Blick, der mich prüfen kam,
ich bat ab und zu um ein Wort, o welche Pein
dann ging ich – sie blieb, soviel ich ermessen,
zurück im Kreise des Nachtlichts, doch hab ich nie
an der rostigen Nadel den Falter vergessen
ihr Geflüster, ihr Haar und die Pseudologie.
* * *
O Freunde, daß es keinen Freund mehr gibt,
muß einer selbst erst in Erfahrung bringen,
als Antwort auf die existenziallist-
sche Frage, ob er Schlips und Lächeln liebt
und wer ins Schnupftuch Knoten weiß zu schlingen
ob Dämmerblaue rings ums Auge paßt,
warum in jungen Jahren er ergraut,
woraus die Blume Schuld hat, die gehaßt
ist, weil sie eine unverstandne Last,
oder wird eine andre Frage laut
doch, Liebste, du bist traurig, und weswegen
ist deiner Träne, in die Hand geschmiegt,
an ungerahmt kubistischem Tuch gelegen
und grün dein Aug wie Gras an deinen Wegen?
O Freunde, daß es keinen Freund mehr gibt!
DICHTERTREFFEN
Es wurden Hypothesen aufgestellt, Beweise erbracht,
viele alte Traktate zitiert
und nach hitzigen Erörterungen
gelangte man zu folgender
einstimmig angenommenen Definition: das Gedicht ist
ein Atemhauch im kristallenem Flaschen,
ein Komet mit hyperboräischer Bahn,
das auf dem Mars verborgene Herbarium des Planeten,
die Geheimsprache autistischer Kinder,
eine feingemahlene Tanagrastatuette,
der Kolophoniumgeist alter Geigen,
ein weißer, ins Licht verliebter Maulwurf,
die Wolke, die da Vinci inspirierte,
eine Träne, in der Lastensegler Schiffbruch erleiden,
der Monolog im Termitenhaufen,
eine runenbedeckte Elfenbeinkugel,
in den Augenwinkel geritztes Gleichnis,
das Lächeln, das wir in der Kolonne durchschreiten,
die Traurigkeit, die wir einzeln überstehn,
eine Sammlung chronophager Texte,
ein Prophet, der das Kräutlein Vergessen zuteilt,
ein Kodifiziergerät mit verwischten Tasten,
die Orchidee, die der Mann mit der Maske seziert,
der Fakir im Schloss aus Pferdemist,
ein fragender Schleier, ein körperloser,
ein zittriger Brief unter bengalischem Feuer,
ein Kaktus, der einmal im Saeculum blüht,
der Traum, den wir stets vergessen,
ein klarer See mit einer Nixe,
erleichtert atmeten die Delegierten auf,
unterzeichneten und wandten beglückt
sich Bahnhöfen, Flugplätzen, Haltestellen der U-
wie Straßenbahn, Taxen und Luftschiffen zu.
DER TISCH
Der Arbeitstisch: ein Rechteck beinahe
nach dem Goldenen Schnitt, den Büchern gleich
von Geist angeweht – die weißen Blätter nur
warten noch
hier ergehen sich
die besten Stunden des Tages
all deiner Nächte
nur der Gedanke
erregt den Äther mit einer Peitsche
– durchsichtig wie ein Kometenschweif –
mit streng geflochtener Mähne im braunen Rohr
des Federhalters, am Abend
MENESTREL
Das Land, wo er herkommt, liebt Gedichte und Lieder,
von Lack glänzt sein Wagen, gütig lächelt er mit
vom Jubel der Menge, und hin und wieder
streut er Verse aus, im Ton der Sanskrit
der Kopten, Etrusker, Awaren, Tamilen,
denen er durch die Sprache verschwistert,
wie Lateinern, Parsen und noch demütig vielen,
ob gesprochen, gesungen, gesummt, geflüstert.
Seine Worte sind wie uraltes Gold
oder alte Musik voll Wohlklang und Weh,
um Knöchel, Hals, Ohren gehängt, gewollt –
dieser Hochburg gilt er als Bester seit je.
Doch ist ihm ein Freitagabend gesungen,
ein Schatten hat Böses vorauszusagen:
an finsterem Kreuzweg werden die Jungen
ihn greifen mit Steinen und Knuppeln erschlagen.
Deutsch von Georg SCHERG
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